Just Ride....

Es war ein wunderschöner Frühlingstag und Sophie war wie immer an ihren freien Tagen im Reitstall. Ihr Liebling brauchte Bewegung und währenddessen konnte sich Maya auf dem Hof austoben. Der Husky-Welpe brauchte Auslauf. Das war hier am besten. Immerhin hörte er schon auf Sophie und so konnte sie sie immer gut unter Kontrolle halten. Während Maya mit den anderen Hunden im Hof spielte, ging Sophie zu ihrem Liebling, der noch in der Box stand. Sie lächelte.
„Na, mein Süßer?“, meinte sie und der Rappe wieherte einmal, um sie zu begrüßen.
Das Band zwischen den beiden war einfach sehr eng. Sie streichelte ihn erst einmal ausgiebig, ehe sie die Boxentür öffnete und ihn auf die Stallgasse ließ. Sie brauchte ihn noch nicht mal an zu leinen, da er ihr so schon brav auf den Hof folgte. Während dem Weg zum Ausgang nahm sie ihre Putzsachen mit und der Hengst blieb im Hof brav stehen, während Sophie ihn ausgiebig putzte. Das genoss Raven, wie der Hengst hieß, wirklich sehr. Sophie beobachtete ihn lächelnd und streichelte ihn. Sie war wirklich froh ihn zu haben. Maya kam nun auch wieder und brachte ein großes Stöckchen mit. Sophie musste lachen und nahm das Stöckchen, warf es dann weg. Sofort flitzte der Welpe hinterher und die Blonde musste lachen.

Sie war sehr gespannt, ob Hanna heute auftauchen würde. Sie wusste, dass ihre Freundin mit Pferden nicht viel am Hut hatte. Aber Sophie wollte, dass die andere Blonde ihren Hengst mal kennen lernte und vielleicht auch mal die Faszination des Reitsports entdeckte. Sophie selbst machte mit Raven ab und an bei Dressurwettbewerben mit, was aber eher selten ist. Er war ein Zuchthengst und Sophie freute sich auf das nächste Fohlen, was ihr nämlich gehören würde. Inzwischen war sie fertig mit putzen und sattelte Raven schon einmal. Sie stieg auf und ritt rüber zum Reitplatz, wo sie Raven ein wenig Bewegung gab. Er durfte hier alles machen, was er wollte. Also verfiel er in einen leichten Trab und schließlich auch in ein Galopp. Er stand einige Tage in der Box, da sie keine Zeit gehabt hatte und ihre Schwester auf Klassenfahrt gewesen war. Fremden würde Sophie ihren Hengst nie anvertrauen. Während sie ein paar Dressurakte absolvierte, sah sich Sophie immer wieder um. Sie wartete sehnsüchtig auf ihre Freundin und war wirklich sehr gespannt, ob sie kommen würde. Zur Not hatte die Studentin ihr Handy dabei, falls ihre Freundin absagen würde.

Hanna fragte sich immer noch warum sie sich eigentlich auf diese Geschichte eingelassen hatte. Die einzigen Pferde, für die sie sich interessierte, befanden sich unter der Motorhaube eines Rennwagens. Doch trotzdem betrat sie nun einen Reiterhof, in blauen Gummistiefeln mit pinken Punkten. An sich nutzte Hanna gerne allen möglichen Anlässe um shoppen zu gehen, aber für ein mal reiten gehen kaufte sie sich bestimmt keine Reiterstiefel. Die Gummistiefel mussten also reichen. Hätte Sophie ihr nicht versprochen ihr einen Reithelm zu leihen, hätte Hanna sicher einen Fahrradhelm über ihre blonden Locken gezogen, die sie nur mühselig zu einem Zopf hatte binden können.

Leicht unmotiviert schlürfte Hanna über den Hof. Sie wusste nicht wo sich Sophie herumtrieb, aber Hanna hatte das Gefühl, dass sie nichts falsch machen könnte, wenn sie sich zum Reitplatz begab. Daher steuerte sie diesen direkt an.
Schon aus einiger Entfernung konnte die junge Frau sehen, dass auf dem Reitplatz ein Pferd bewegt wurde. Das Tier sah aus wie das Pferd, das Sophie ihr schon auf Fotos gezeigt hatte. Aber im Grunde sah für Hanna jedes Pferd gleich aus, daher hatte es nichts zu sagen, wenn sie meinte Sophies Pferd erkannt zu haben. Als Hanna ein paar Schritte dichter gekommen war, glaubte sie jedoch immer noch, dass es Raven war, denn die Reiterin war blond, genau wie Sophie. Hanna behielt ihren Kurs bei. Als sie die Abzäunung des Reitplatzes erreicht hatte, lehnte sie sich gegen den Zaun und erkannte, dass ihre beste Freundin tatsächlich die Reiterin war, die sich hier vergnügte. Perfekt. Dann musste sie nicht noch ewig nach Sophie suchen.
„Howdy!“, grüßte Hanna die andere junge Frau und grinste dabei. Sie faltete ihre Hände auf den Zaun zusammen und betrachtete Raven. „Ich glaube ja immer noch, dass ich mich auf einem Pferd nicht sonderlich gut machen werde“, teilte Hanna Sophie mit. Dann verdrehte die Blonde ihre Augen. „Aber meine Mutter war ganz begeistert, als sie mitbekommen hat, dass ich heute hier bin. Sie hat mich nämlich gnadenlos ausgefragt was ich vor habe, als sie mich in die Gummistiefeln gesehen hat. Sie hat gesagt, dass Reiten ein viel besseres Hobby wäre als Musik zu machen. Reiten wäre etwas, was eine Frau aus einer wohlhabenden Familie können sollte und so weiter und so fort. Einfach nur schrecklich.“

Irgendwie konnte sich Sophie ihre Freundin auf einem Pferd nicht vorstellen. Es würde sicher ein lustiger Anblick werden, den die Blonde auf keinen Fall verpassen wollte. Während sie auf Raven noch weiter ein paar Dressur-Übungen machte, musste sie grinsen bei dem Gedanken. Immer wieder sah sie sich nach ihrer Freundin um. Hatte sie vielleicht doch Angst bekommen? Würde sie nicht auftauchen? Dann hätte sie aber Bescheid gegeben. Da war sich Sophie sicher. Sie lächelte.
„Raven... ich bin mir sicher, sie taucht auf... und dann werden wir sehen...“, meinte sie leise.
Sie streichelte ihren Hengst kurz und stoppte ihn schließlich, als sie von der Ferne Hanna sah. Leicht musste Sophie grinsen, als sie ihre Freundin in den Gummistiefeln sah. Es war schon klar gewesen, dass sie sich keine extra Reitstiefel kaufen würde. Aber das war schon ein lustiger Anblick. Sie beobachtete ihre Freundin, als diese am Gatter ankam und sie begrüßte. Sie lauschte den Worten von ihr und kam mit Raven zum Zaun. Leicht legte Sophie den Kopf schief.
„Wenn du es noch nicht ausprobiert hast weißt du doch gar nicht, wie du darauf aussiehst.“

Sie stieg ab und legte die Zügel von Raven über den Zaun. Sie beobachtete ihre Freundin weiterhin und hörte ihr zu, als sie über ihre Mutter sprach. Das war der Moment, an dem Sophie sich nicht mehr zurück halten konnte und anfangen musste zu lachen. Ja, das konnte sie sich lebhaft vorstellen. Das Klischee, dass alle Mädchen Pferde mochten, war wohl auch bei ihrer Mutter beliebt. Aber so war es ja eigentlich nicht. Sophie grinste ihre Freundin an und streichelte Raven, der sie immer wieder anstupste. Sie ließ Hanna dabei aber nicht aus den Augen.
„Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Wahrscheinlich denkt sie, dass Mädchen und Pferde einfach zusammen gehören. Das mag vielleicht zum Großteil stimmen, aber auch nicht immer. Aber ich finde es traumhaft... Wenn du es noch nicht versucht hast, weißt du ja auch nicht, ob es wirklich so schlecht ist, wie alle sagen.“, scherzte sie und zwinkerte ihrer Freundin zu.

Sie kraulte Raven hinter den Ohren, der seinen Kopf geneigt hatte und es sichtlich genoss. Sophie lächelte und sah dann wieder zu Hanna, legte den Kopf schief und beobachtete sie.
„Du brauchst auch keine Angst haben. Friesen sind unheimlich brave Pferde. Raven wird nichts machen, was du nicht willst. Er hört auf jeden Befehl zu Hundert Prozent. Da brauchst du also keine Angst haben. Er ist perfekt für Anfänger.“, erklärte Sophie und hoffte, dass sich ihre Freundin trauen würde.
Sie würde Hanna schon gerne auf einem Pferd sehen und vielleicht würde es ihr sogar gefallen. Dann konnten sie auch öfter mal zusammen ausreiten. Das wäre sicher lustig.

Irgendwo hatte Sophie ja eigentlich Recht mit ihrer Aussage, doch trotzdem war sich Hanna jetzt schon relativ sicher, dass diese ganze Pferdesache nichts für sie sein würde. Schon als Kind hatte sie kein sonderliches Interesse an solchen Vierbeinern gehabt. Sie hatte sich dann mehr dafür interessiert von ihrem Vater zu lernen wie man Gitarre spielt oder wie man einem Klavier den einen oder anderen anständigen Ton entlockte. Es hatte sogar eine kurze Zeit gegeben in der sich Hanna von ihrer Mutter zum Ballettunterricht hatte anmelden lassen, doch das Tanzen hatte die Blonde schnell aufgegeben. Sie war schon damals furchtbar unbeholfen gewesen was solche Dinge anging und hatte kaum Spaß daran gehabt. Ähnlich würde es sich bestimmt verhalten, wenn sie ihren schlanken Körper wie einen nassen Sack auf ein Pferd gehievt hatte. Da Hanna dies bereits sehr bildlich im Kopf hatte, rümpfte sie einfach nur die Nase zur Antwort.

Während Hanna da stand und ihrer Freundin zuhörte, verspürte sie nicht ein Mal den Drang die Hand auszustrecken und Raven zu streicheln. Ja, ihr Interesse an Pferden war wirklich äußerst gering. Aber ihr Interesse an Sophie war dann doch vorhanden, weswegen sie der anderen Blonden brav lauschte und den Augenkontakt aufrecht erhielt, auch wenn sie diese Reitergeschichte nicht aus den nicht ganz modischen Gummistiefeln haute. „Ich versuche es aber nur, wenn du mich danach nie wieder zwingst auf ein Pferd zu steigen, sollte es mir wirklich nicht gefallen“, merkte Hanna nun an und schob dabei schon fast ein wenig trotzig ihr Kinn nach vorne.

Hanna nickte als Sophie ihr versprach, dass Raven ein freundliches Tier war. Einen kurzen Moment kämpfte Hanna mit sich selbst, aber dann streckte sie doch ihre Hand aus und streichelte behutsam Ravens Hals. Wenn sie schon auf dieses Tier steigen würde, dann konnte es bestimmt nicht schaden vorher ein wenig Kontakt aufzunehmen.
„Stellt sich nur die Frage wie ich auf Raven rauf komme. Bei dir sieht das ja ganz nett und einfach mit dem Auf- und Absteigen aus, aber du hast da ja schon ewig Erfahrung drin“, merkte Hanna an. Sie war wirklich froh darüber, dass gerade nur Sophie anwesend war, denn ihr Versuch ein Pferd zu besteigen, würde sicher alles andere als elegant ausfallen. Vermutlich würde sie gleich auf der anderen Seite wieder herunter fallen. Bei dem Gedanken schüttelte Hanna beinahe den Kopf um diese Bilder aus ihrem Kopf zu verscheuchen. „Sag mir noch mal warum ich mich auf die Sache eingelassen habe.“